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Plötzlich allein in Westafrika, was nun?

27. Februar 2024 in der #Elfenbeinküste:

Im September 2023 startete ich gemeinsam mit meinem Mann auf eine Primaten-Afrika-Tour von Deutschland nach Südafrika entlang der afrikanischen Westküste. Als eingespieltes Reise-Team mit Rollenverteilung kümmert sich mein Mann als Ingenieur um alles Technische rund ums Auto. Als Verhaltensbiologin recherchiere ich und navigiere uns zu den Hotspots der Primaten und anderer Wildtiere. Im Vorfeld absolvierten wir gemeinsam ein Offroad-Training, auf der Route nach Süden bin ich mehr oder weniger gar nicht gefahren. Nach zirka 6 Monaten flog mein Mann geplant für ein paar Tage nach Deutschland und ich blieb beim Auto an der Elfenbeinküste. So weit so gut. 

Schock

Wegen eines gesundheitlichen Notfalls in Deutschland kann mein Mann die nächsten Monate nicht zurückkehren. Es geht ihm den Umständen entsprechend wieder gut und ich musste mir zumindest keine Sorgen mehr machen, puh.

Nun, plötzlich allein in der westafrikanischen Elfenbeinküste mit dem Land Cruiser, in einer Welt, in der mehr oder weniger nur Männer hinterm Lenkrad sitzen. 

Was nun? Es ist völlig unklar, ob und wenn wann wir die Reise gemeinsam fortsetzen können. Oder in welchem Land ich den Toyo sicher und zollkonform für längere Zeit parken oder verschiffen könnte. Und es schüttete aus Eimern, die Regenzeit steht vor der Tür.  

Viele meinen ich solle mich anderen Overländern anschließen. Doch die sind bereits weiter Richtung Südafrika, wegen der Regenzeit oder nördlich auf dem Heimweg nach Europa. 

Es gab viele viele Hürden für mich zu meistern und viele Dinge liefen völlig anders als gedacht. Das Internet fiel wegen einer Beschädigung eines Seekabels in 1.000m Tiefe aus, die Weltbank drohte die Gelder für Ghana zu stoppen, daraufhin stellte die Botschaft vor Ort keine Visa mehr aus. Das neue “Carnet de Passage“ (so etwas wie der Pass fürs Auto) war bei meinem Mann in Deutschland und ach, auch die Visa-Kreditkarten und das Online-Money auf seinem Smartphone … und umgekehrt waren alle persönlichen Sachen meines Mannes im Toyo. Was eine ungeplante räumliche Trennung eben so alles mit sich bringt. 

Das Verschiffen des Autos von der Elfenbeinküste stellte sich als extrem schwierig heraus, mein französisch ist überschaubar und es gibt auch keine Agentur, die das für einen abwickelt (nur in Dakar im Senegal oder in Accra in Ghana). Fürs Langzeitparken muss das Auto aus dem Land heraus und mit einem neuen Carnet (Pass fürs Auto) einreisen, was aber zuhause in Deutschland liegt. Also fuhr ich erstmal Richtung Ghana weiter, um dort mein Glück zu suchen.

Das Fass läuft über 

Auf dem Weg nach Accra besuche ich die Sklavenfestung in Cape Coast. Puh, eine sehr emotionale Führung über das Leid der Sklaven bringt bei mir das Fass zum Überlaufen: was mache ich hier eigentlich, ich irre wie einst Odysseus durch die Meere und warum fahre ich eigentlich nicht einfach mit dem Land Cruiser zurück? 

Sicher hat es für diese Entscheidung auch Gehversuche des « Machbaren » gebraucht. Klar war für mich, den Kopf in den Sand zu stecken oder in die Schockstarre zu fallen ist keine Lösung. In den letzen 3 Wochen der Irrfahrt hatte ich Schritt für Schritt meine Fähigkeiten und Erfahrungen erweitert, um das doch ziemlich archaische Auto technisch zu beherrschen, meistere Pannen und fahre Offroadstrecken in der Matsche im Regenwald und im Sand. Ich entwickle ein Gespür ohne Camping Infrastruktur sichere Übernachtungsplätze als Frau allein zu finden. Auch meistere ich die oft sehr korrupten Polizeikontrollen ohne Schmiergeld zu blechen. Zwischendrin bin ich ganz Stolz auf das, was ich so alles alleine wuppe und dann zerlegt es mich wieder, wenn zu viele Dinge nicht laufen wie sie sollen. Ein Wechselbad der Gefühle zwischen Euphorie und Tränen der Überforderung. 

All diese vermeintlichen Irrfahrten stärken mein Selbstvertrauen fürs « machen ». Der Knoten ist durch die sehr emotionale Führung in Cape Coast gelöst: noch ein wirklich kurzer Check der Strecke durch die vielen Länder und benötigten Visa. Nach einem Telefonat mit meinem Mann fällt dann die Entscheidung: 

Ich fahre allein mit dem Auto zurück!

Die Entscheidung fällt, ich fahre allein mit dem Auto zurück

Unter Tränen, emotional aufgewühlt, habe ich meine Entscheidung in Polarsteps im Internet kommuniziert und damit für mich Fakten geschaffen. Zurück bleibt ein sehr mulmiges Gefühl: Schaffe ich das wirklich? In der Nacht kommen Zweifel auf, aber ich war innerlich irgendwie fest entschlossen am nächsten Morgen zu starten und einfach zu machen.

Alleine mit dem Toyo zurückzufahren war bis dahin gar keine Option. Es ging immer nur darum die Last « das Auto als Frau allein in Westafrika » zu managen, das Problem via « Langzeitparken » oder Verschiffen loszuwerden. Interessant, dass wir machbare Lösungen am Anfang komplett mit Scheuklappen ausblenden. Dafür habe ich auch Zeit gebraucht, Erfahrungen gesammelt, um das Machbare zu sehen und zu begreifen. Für mich war es der emotionale Auslöser in der Sklavenfestung Cape Coast, der nichts mit der Sache selbst zu tun hatte, um meine Energie zu aktivieren und ins « tun » zu kommen.

Hier geht es weiter von Anfang an:

Als Frau alleinreisend in Westafrika (2)

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