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Als Frau alleinreisend in Westafrika (2)

4. März 2024 in der #Elfenbeinküste:

Certificat de Residence, Elfenbeinküste

Für das Ghana Visum in Abidjan hole ich mir bei der Polizei ein « Certificat de Residence ». In der Polizeistation sitze ich eng gequetscht in einem kleinen Raum zwischen vielen Lokals, die so ein Papier auch brauchen. Was der Sinn der Übung ist, verstehe ich auf französisch nicht, ich weiß nur das ich dieses Papier brauche. Sie sind sehr freundlich zu mir und stellen mir nach vielen Fragen, die ich nur ansatzweise verstehe, das Dokument aus. Jetzt bin ich « Residence der Elfenbeinküste ». 

Das Dokument brauche ich kurz darauf nicht mehr, da Ghana alle Visa Anträge stoppt und es auch keine Visa an der Grenze mehr geben soll. Anscheinend nur noch im Heimatland. Aussage von der Botschaft von Ghana in Abidjan. Aufgrund meiner Situation erhalte ich ein besonderes Einladungsschreiben aus Ghana und hoffe so die Grenze zu meistern. 

Auf das Schreiben muss ich ein paar Tage warten und so fahre ich in der Zwischenzeit am Atlantik entlang und lande in einem Paradies. Djibrile, wohl eine Art Hofverwalter, lässt Overlander in einer Kokospalmen Plantage campen. Leider verstehe ich zu wenig französisch. Aber er freut sich riesig und öffnet mir eine Kokosnuss zum trinken. Sehr lecker. Er lässt mich alleine auf der Plantage zurück.

Ich schrecke hoch, es ist stock dunkel, die Brandung brüllt, laute Männerstimmen und ich verstehe nicht was gerade passiert. Morgens im dunklen ziehen ganz viele Fischer, durch einen ritualisierten Gesang angefeuert, an einem großen Fischernetz. Über 3 Stunden kämpfen die Fischer mit der tobenden Brandung neben mir, um ihren Fang an Land zu ziehen. 

Camping bei Djibrile

Auf dem Rückweg leitet mich das Navigationssystem von einer festen Straße in ein Labyrinth von immer enger werdenden Pfaden. Kein Durchkommen, auf einmal wird es sehr sandig und der Toyo strauchelt, da ich ohne Allrad fahre. Gerade drohe ich hängen zu bleiben, konzentriert auf den Sand schauend und durch den Sand gleitend, reiße ich oben mit den Kisten auf dem Dach eine hängende Elektroleitung ab. Sehr schnell ist das ganze Dorf herbeigeeilt, helfen mir sofort mit einem langen Stock die Elektroleitung sicher ohne Stromschlag zu entfernen und ich verhandle mit einem, der ein „bißchen“ englisch kann, über den Schaden. Ich biete Ihnen umgerechnet 15 € an und alle Gesichter strahlen. War wohl zu viel, aber ich habe wieder ein gutes Gewissen und sie helfen mir auch aus dem Labyrinth. Mit Allrad, ein Kinderspiel …

Batterie ist leer

8. März 2024

Eigentlich wollte ich mich mit einer Rangerin am Weltfrauentag treffen und im Nationalpark campen. Es kommt ganz anders. Ich warte an einem viel befahrenen Kreisel bei tropisch-schwüler Mittagshitze und lass den Ventilator der Klimaanlage laufen. Die Rangerin kommt nicht und via WhatsApp auf französisch erklärt sie mir, dass sie direkt nach Abidjan muss. Der Toyo springt nicht mehr an, die Batterie ist leer. Oh je, was nun?

An einer Tankstelle treffe ich einen, der meint er könne mir helfen … Der Bauch sendet ein ungutes Gefühl. Natürlich will er mir gleich seine uralte Batterie verkaufen und die vom Toyo einkassieren. Ich verspüre Unsicherheit, Skepsis. Nee, er soll mir doch bitte nur Starthilfe geben. Ich muss diesem Menschen vertrauen, obwohl ich nicht sehen kann, was er hinter der Motorhaube so treibt. Viele Menschen versammeln sich um den Toyo, der Verkehr rast an mir chaotisch vorbei, mit meinem bisserl französisch eine Herausforderung im Lärm des Verkehrs sich zu verständigen und nach langem hin- und her springt der Toyo endlich wieder an.

Ok, ich muss jetzt lange fahren, damit die Batterie sich wieder auflädt, aber wohin? Ich fahre einfach Richtung Westen. Während des Fahrens kann ich nicht recherchieren und fahre nach einer Stunde in einen Ort und finde sogar eine Art Hotel. Mit laufenden Motor frage ich, ob ich hier campen kann und ob es eine Steckdose gibt. Es gibt sogar ein schattigen Platz, wo ich durchs Fenster in einem Raum die Batterie weiter laden kann. Via WhatsApp erklärt mir Jürgen, wo das Ladegerät in den glühend heißen Dachkisten verstaut ist. Ich schaffe es die Motorhaube und das Auto abzusperren während des Ladens und erkunde die Umgebung. Juhu, am nächsten morgen leuchtet das Ladegerät grün, geschafft! 

Der Toyo vermisst seine Artgenossen: Die Hauptstraßen an der Elfenbeinküste sind oft asphaltiert und es gibt viele normale Fahrzeuge. Manche sind sogar als Sportwagen tiefer gelegt. Sie spielen sogar Fußball auf dem Asphalt. Aua, das muss ja weh tun, wenn sie hinfallen.

Und ich … ich vermisse Primaten an der Elfenbeinküste. Dafür gibt es viele Monokulturen. In der Lagune de Fresco bin ich in einem Ramsar Feuchtgebiet und Regenwald Schutzgebiet, aber keinen interessiert es. Abends sehe ich Kingfischer und ganz viele Milane, die nach Insekten in der Luft jagen. Ich dachte erst, das sie auf Fledermäuse warten. War sehr interessant. Auf Nachfrage kannten die Locals weder die Vögel, noch warum die hier sind. Das ist halt so. Auf dem Rückweg zum Nationalpark stehen entlang am Regenwald viele abgestellte Mopeds, die Menschen gehen einfach in das Schutzgebiet zum Ernten und Jagen hinein. Auch Waffen und Fallen habe ich gesehen. Hier brauche ich sicher nicht nach Primaten suchen.

Das Dorfleben der Frauen

9. März 2024

In einem Dorf am Rande des Nationalparks frage ich nach, ob ich hier sicher übernachten kann. Die Frauen garantieren mir meine Sicherheit. Kurzerhand wird der Toyo unter ihren Mangobaum gestellt und ich bin mitten drin im Dorfleben der Frauen.

Abends wird es dann etwas turbulenter, da ist das ganze Dorf da und das ist nicht klein und viele sind sehr neugierig 👀 Vor dem Toyo gibt es Openair: Es wird ein Fernseher und viele Stühle aufgestellt. Weit nach Mitternacht wandelt sich der Platz zum Schlafplatz für die Frauen, die auf einer dünnen Matte mit einem Tuch draußen vor dem Toyo schlafen, um mich zu bewachen. Und morgens im Dunklen holen die ersten schon wieder Wasser. Jetzt verstehe ich warum viele Menschen hier tagsüber in der Hitze schlafen.

Zum Dorf hin und zurück darf der Toyo in der Untersetzung mal wieder zeigen was er kann. Sehr steile und ausgewaschene tiefe Rinnen. Die Männer des Dorfes staunen nicht schlecht, dass ein Auto da runter kommt und dann auch noch eine Frau hinter dem Steuer sitzt. Der Toyo vermisst weiterhin seine Artgenossen, hier im Dorf gibt es nur wenige Mopeds und gar keine Autos.

Parc national d‘Assagny

10. März 2024

Beim zweiten Versuch im Nationalpark zu campen, hatten sie keinen Ranger mehr, dem hatten sie wohl kurzfristig gekündigt und der machte dann tagsüber seine letzte Tour mit mir. Hm, hoffentlich geht das gut. Campen darf ich nicht mehr im Regenwald.

Die Tour im Nationalpark war extrem schweißtreibend und anstrengend. Aber im Regenwald finde ich wieder zu mir selbst, auch wenn ich mehr oder minder keine Tiere sichte und nur wenige Fressspuren von Primaten sehe. Der Jagddruck ist auch hier sehr sehr hoch, wie so oft in Westafrika.

Parc national d‘Assagny

Der Toyo braucht Service

11. März 2024 in der #Elfenbeinküste

Heute bin ich sehr zufrieden mit dem Autoservice in der Garage Lagunaire in Koumassi, Abidjan. Traoré steht auf iOverlander (App für Reisende) und hat einen tollen Service zu einem hervorragenden Preis zu bieten. Und mir sogar neue Scheibenwischer von Bosch in der Umgebung besorgt, was selbst Toyota nicht hatte. Jetzt habe ich wieder den vollen Durchblick in der Regenzeit. Danach fahre ich zum Strand von Aboisso, wo es kaum Tiere gibt.

Aber ein alleinreisender Regenbrachvogel begleitet mich beim Spazieren am Strand. Bald wird der Regenbrachvogel zum Brüten nach Europa ziehen und ich mache mir Gedanken, wie es hier mit mir wohl weiter geht.

Regenbrachvogel

Eurasian whimbrel
(Numenius phaeopus

#Zugvogel: Der Regenbrachvogel ist ein Langstreckenzieher, er brütet im Mai bis Juni in der Taiga und in der Tundra in Nordeuropa, er rastet auf dem Weg an der Nordsee und überwintert an den Küsten Afrikas. Vom Aussehen ähnelt er dem Großen Brachvogel (Numenius arquata), er ist aber etwas kleiner und sein Schnabel kürzer. Und der Große Brachvogel ist ein europäischer Standvogel, der sich nicht nach Westafrika verirrt.

Ghana ist ein eigenes Kapitel

15. März 2024 in #Ghana:

Einen Tag vor dem Grenzübergang nach Ghana fällt in Westafrika das Internet aus, mehrere Seekabel in 1000 m Tiefe sind beschädigt. Die Reparatur soll mehrere Wochen dauern. Auch das noch 😮 

Die Grenze passiere ich ohne Probleme und ohne Einladungsschreiben. Das zum Thema gesicherte Informationen von Botschaften. Weiter ohne Internet erfahre ich, dass es Zollbbeschränkungen für das Auto gibt. Der Toyo darf anscheinend nur 90 Tage mit Carnet in Ghana bleiben. Zum Langzeitparken untauglich. Die Deutsche Botschaft erkundigt sich bei der Polizei und versichert Jürgen mündlich, dass das Auto natürlich länger stehen bleiben darf. Durch Zufall treffe ich in einer Lodge den Chef der Zollbehörde an der Grenze, der mir versichert das die 90 Tage stimmen. Auf dubiosem Wege (Geld und evtl für ihn noch was anderes) gäbe es vielleicht eine Lösung … das ist für mich und den Toyo keine sichere Option. 

Von einem Overländer erfahre ich, dass ich in Accra am Hauptzollamt den Aufenthalt fürs Auto auf maximal 6 Monate verlängert kann. Mitte September ist für uns auch zu kurz, da ist Regenzeit. Und aktuell auch noch völlig unklar, ob Jürgen da schon wieder fit für Afrika ist.

Ankasa Nationalpark

15. bis 16. März 2024 in #Ghana

Nach dem Grenzübergang von der Elfenbeinküste nach Ghana erreiche ich die Unterkunft am Eingang des Nationalparks. Am nächsten Morgen geht es früh los auf der Suche nach Primaten. Der Weg im Regenwald sei extrem matschig mit tiefen Löcher voll Wasser und der Manager legt mir nahe einen alten Landrover mit Fahrer von ihm zu mieten. Ob er das auch einem Mann nahegelegt hätte? Nach kurzem Grübeln entscheide ich mich selbst zu fahren und mit dem Guide als Beifahrer kommt es einem perfekten Offroad-Matsch Training nahe. Auf die Frage, wie oft er diese anspruchsvolle Strecke fährt: Er kann weder Moped noch Auto fahren, er hätte gar kein Führerschein.

Der Toyo ist mal wieder sensationell, wie er sich durch die tiefen Wasser-Matsch-Löcher wühlt. Das hat richtig Spaß gemacht und stärkt mein Selbstvertrauen in der aktuellen Situation und der Regenzeit. Manche Stellen waren schon recht knifflig. So eine tiefe Matsche hatten wir selbst in Uganda nicht erlebt. 

Eigentlich soll es im Ankasa Nationalpark viele Primatenarten geben. Schimpansen und Red Colobus gibt es nicht mehr, aber andere Arten soll es noch geben. Immer wieder höre ich Schüsse im Nationalpark, so sichten wir keine Affen und hören nur einen. Mit dem Guide habe ich später ein gutes Gespräch. Jagen ist ein großes Problem, es sind immer weniger Wildtiere da und Bushmeat wird von den Wohlhabenden konsumiert. 

Dafür gibt es eine natürliche Bambus Kathedrale, so groß wie der Kölner Dom: mächtige Bambusstäbe tragen wie Säulen den Korpus aus Blättern. Sehr beeindruckend. Es gibt auch wunderschöne alte Urwaldbäume. An einem Teich soll es Krokodile geben und ich halte Ausschau nach großen Tieren. Bin schon etwas verwundert hier Krokodile zu sichten. Da übersehe ich zuerst die sehr seltenen und stark bedrohten kleinen Stumpfkrokodile. Wow, das ist echt cool!

Im Regenwald sind die Tiere, angepasst an ihr Umfeld, oft kleiner (Stumpfkrokodile, Waldelefanten) als ihre Kollegen in der Savanne oder leben in kleineren Gruppen, wie die Hippos im Regenwald von Sierra Leone.

Stumpfkrokodil

African Dwarf Crocodile
(Osteolaemus tetraspis)

Am Teich jagen Schillereisvogel nach Fischen für ihren Nachwuchs. Hatten mächtig was zu tun.

Schillereisvogel

Shining-blue Kingfisher
(Alcedo quadribrachys)

Ein seltener afritropical Eisvogel, der an bewaldeten Gewässern vorkommt. Er ist größer als der Malachit-Eisvogel und besitzt einen kräftigen schwarzem Schnabel.

Anmerkung zu männlichen Guides: Es erfordert viel Mut und Selbstbewusstsein, um als Frau für mehrere Stunden mit einem männlichen Guide im tiefen Regenwald unterwegs zu sein. Ungeniert holt er direkt vor mir den Penis aus der Hose und uriniert. Gott sei Dank war ich bereits durch eine andere Bloggerin über diese Situation informiert und wurde nicht panisch. Auch hat er mich übergriffig einfach angefasst, wo ich ihm robust die Hand weggeschlagen habe. Dennoch muss ich aufpassen, dass wir in freundschaftlicher Beziehung bleiben.

Phallussymbole am Strand von Busua

17. März 2024 in #Ghana

Die touristische Infrastruktur ist in Ghana entlang der Küste relativ gut und es gibt auch einige westliche Touristen am Strand von Busua.

Viele Männer in Ghana sind sehr aufdringlich und respektlos gegenüber Frauen. Es erinnert mich an die nervigen Bumpster in Gambia. Da hilft robustes Verhalten und sie gleich in ihre Schranken zu verweisen.

Auch die Polizeikontrollen sind hier ab und an sehr aggressiv. Aber ich habe ja auf dieser Reise gelernt freundlich und relaxt mich nicht aus dem Takt bringen zu lassen. Meine Papiere gebe ich auch nicht mehr aus der Hand. Wie geht es Ihnen, während ein Polizist an meiner verschlossenen Tür fast 20 Minuten rüttelt und einschlägt … ach das Wetter ist schön, ich verstehe sie nicht, ich spreche leider nur schlecht Englisch … nach einer Weile geben sie auf und lassen mich ohne Schmiergeld passieren.

Cape Coast Castle

20. März 2024 in #Ghana

Die Sklavenfestung Cape Coast Castle. Eine sehr emotionale Führung über den Sklavenhandel. Das war ein bisserl viel für mich in meiner aktuellen Situation. 

Das Fass läuft über, siehe Prolog Plötzlich allein in Westafrika, was nun?

Direkt über den Sklavenverließen haben die europäischen Sklavenhändler herrschaftlich mit dem Segen vom Papst gelebt. Beim Kirchgang am Sonntag gab es extra beim Eingang ein Loch zum runter schauen auf das unvorstellbare Leid. 

Hier geht es weiter:

Die Entscheidung ist gefallen (3)

Und hier zum Anfang der Serie
Plötzlich allein in Westafrika, was nun?

2 Kommentare zu “Als Frau alleinreisend in Westafrika (2)

  1. Monika Lacher

    Hallo liebe Barbara!

    Vielen Dank für Deine interessanten Reiseberichte.

    Mutig und tapfer konntest Du alles bewältigen, Respekt!

    Ich war heuer im Übrigen 12 Tage am Stück bei den Ausgrabungen in der Hammerschmiede dabei. Sonja Helmer und Klaus Schamel waren auch wieder mit dabei. Gestern hat Madelaine einen Vortrag im Memminger Museum gehalten, in dem Klaus als Kurator eine Ausstellung organisiert hat.

    Herzliche Grüße

    Monika Lacher

    1. Barbara Autor des Beitrags

      Vielen Dank liebe Monika!

      12 Tage graben, oh wie cool 😎
      Dieses Jahr war es für mich leider zu knapp. Die Woche geht es wieder los nach Afrika.

      Ganz liebe Grüße,
      Barbara

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